Der Nikotin Irrtum - seit 164 Jahren

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Der Nikotin Irrtum - seit 164 Jahren

Manche Dinge, nein eigentlich viele Dinge, sind eben so wie sie sind. Kennen Sie das?

"Das ist nun einmal so" oder "das hat haben uns die die Großeltern schon gelehrt". Hat man Ihnen als Kind auch erklärt, dass Spinat wahnsinnig viel Eisen enthält? Sie sind nicht allein. Fragen Sie doch einmal Ihre Bekannten. Die wissen das alle. Es war im Jahre 1890. Da ermittelte der Physiologe Gustav von Bunge den Eisengehalt von Spinat auf 35 Gramm pro 100 Gramm. Frischer Spinat besteht zu 90 Prozent aus Wasser und enthält daher nur 3,5 Milligramm Eisen auf 100 Gramm. Der Mann hat sich schlicht vermessen oder sich um eine Kommastelle vertan. Dieses "Gerücht" hielt sich über 70 Jahre lang.

Was hat das jetzt mit Nikotin zu tun?

Beim Nikotin wissen wir seit über 150 Jahren: „Sehr große Mengen Nikotin sind giftig: Rund 50 Milligramm Nikotin sind beim Verschlucken tödlich, für Kleinkinder ist bereits eine Menge von sechs Milligramm lebensbedrohlich.“ Diese tödliche Menge findet man nahezu überall: In wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Pressemitteilungen, Webseiten von Gesundheitsorganisationen, Reden von Politkern, usw. Die Menge mag dabei zwischen 40 und 60mg variieren, letztendlich sind sich aber alle einig: ca. 50mg sind für einen erwachsenen Menschen tödlich.

Stimmt das wirklich? Woher stammt diese Information? Wer hat es bewiesen? Alle Quellen liefern die selbe Antwort. Das muss doch authentisch sein und stimmen?
Na schauen wir mal... "Das ist nun einmal so" reicht uns nicht, wir sind neugierig und wir wollen die Tatsachen hinterfragen, der Sache auf den Grund gehen. Betrachten uns doch einmal die Quellenangaben. Die führen uns zu einer weiteren Quelle. Auch diese Quelle führt zu einer Quelle. Wie ist das denn bitte möglich? Schreiben die denn alle von einander ab? Ja!!!

Herr Prof. Dr. Mayer von der Karl-Franzens Universität in Graz ging genau dieser Frage nach. Schließlich landete er im Jahr 1906.

Das „Lehrbuch der Intoxikationen“ von dem renommierten Pharmakologen und Pionier der Toxikologie Dr. Rudolf Kobert wurde veröffentlicht. In diesem Lehrbuch steht:
„Vom reinen Nikotin ist die letale Dosis ebenfalls schwer zu bestimmen, da es sich an der Luft leicht etwas zersetzt und andererseits meistens mehr oder weniger wasserhaltig ist; doch nach den üblen Zufällen [sic!], die bei mehreren Experimentatoren schon 0.002–0.004 g hervorbrachten, ist sie wohl sicher nicht höher als 0.06 g.

Was wir also schon immer wussten, 60 mg Nikotin, da wird es ernst. Wie hat der Mann das eigentlich gemessen? Gar nicht!

Dr. Rudolf Kobert bezieht sich auf Selbstversuche, die der österreichische Mediziner und Pharmakologe der österreichische Mediziner und Pharmakologe Dr. Karl Damian von Schroff 1856 beschrieb. Wir erinnern uns 60mg, tot und kaputt, auch schon 1906. Oder doch nicht?

Nun hat unser Dr, Korbert zwar einen gewissen Dr. Reil in seinen Schriften erwähnt, dessen Forschungsergebnisse von 1875 jedoch ignoriert. Eben dieser Dr. Reil hatte nämlich beschrieben, dass rund 75mg Nikotin bei einem Selbstversuch nur sehr milde Symptome hervorbrachten.

Was denn jetzt? 75mg und doch nicht tot? Wie viel reicht denn nun? Was ist die tödliche Dosis? Genau kann das noch immer niemand sagen. Derzeit geht man von 500mg - 1000mg aus.
Es gibt anscheinend keine Freiwilligen, die sich mit Nikotin selbst töten möchten. Oder vielleicht doch?

Menschen haben schon immer versucht (oft mit Erfolg) sich auf alle erdenklichen Weisen umzubringen, selbst mit Nikotin.
Nachzulesen in der Fachzeitschrift „Clinical Toxicology“.
Im Mai 2013 wurde ein Artikel über Suizidversuche mit Nikotinhaltigen E-Zigarettenliquid veröffentlicht:

In einem Fall wurde eine Dosis von 1500mg und damit die nahezu 50fache Menge der vermuteten tödlichen Dosis von 30 bis 60mg genommen. Und die einzigen Symptome waren Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen.
Bedeutet das, dass Nikotin gar nicht giftig ist?

NEIN! Es besteht kein Zweifel daran, dass Nikotin in hoher Dosierung giftig ist und tödlich sein kann.

Aber: Die bisher gemachten Angaben über „tödliche Liquids“ sind maßlos überzogen. Zum Beispiel hat ein handelsübliches „18er Liquid“ einen Nikotingehalt von 18 Milligramm pro 1 Milliliter. Wenn man nun von einer 10ml-Flasche ausgeht, befinden sich in dieser Flasche insgesamt 180 Milligramm oder umgerechnet auch 0,18 Gramm Nikotin und damit weniger Nikotin als in einer Schachtel Zigaretten vorhanden ist (der Tabak einer Zigarette enthält bis zu 14mg Nikotin – Eine Schachtel mit 20 Zigaretten somit bis zu 280mg Nikotin). Damit wäre der Inhalt dieser Flasche „18er Liquid“ weit von der voraussichtlichen tödlichen Dosis entfernt. Sie können damit auch keine 3 Menschen umbringen.

Trotzdem sollten Sie das Liquid nicht trinken, kein Vollbad darin nehmen und es gehört auch nicht in Kinderhände.
Das gilt übrigens auch für Haushaltsreiniger, Parfüm, div. Kosmetika oder hochprozentigen Alkohol.